Interview mit Akron
Zum Thema: Der Mensch im Spiegel seiner ewigen Frage nach dem Sinn.
Journal: Dein persönliches Credo lautet: Was du suchst ist das, was sucht! Was willst du uns damit sagen?
Akron: Dass alles, mit dem wir uns beschäftigen oder das uns anzieht, letztlich nur immer zurück zu uns selbst führt. Also zur Voraussetzung der Sehnsucht, die uns zwingt, das, was wir uns ersehnen, auch suchen zu müssen.
Journal: Ist das die Botschaft, die du an die Menschen richtest?
Akron: Da gibt es nichts, was ich an jemanden zu richten hätte. Ganz egal, was du sagst, jeder interpretiert deine Worte auf seiner Bewusstseinsebene, und dort erhalten sie eine andere Bedeutung. Deshalb muss jeder den Weg zu sich selbst finden. Wenn ich dem anderen sage, dass es mit dem Wissen der Welt nicht viel auf sich hat, bringe ich ihn möglicherweise um die Erfahrung, das Leben in seinem emotionalen Bereich erobern zu wollen. Wenn ich ihm aber sage, dass er das Leben in allen Zügen genießen und auskosten soll, dann stelle ich mich auf die andere Seite des dualen Weltbildes, nämlich ihm mitteilen zu wollen, was er sowieso zu erfahren gezwungen sein wird. Es braucht eine gewisse Erfahrung, um zu merken, dass man letztlich auch nicht über die Begrenzungen hinauswachsen kann, die man mit seiner einengenden Kontrolle selbst bestimmt.
Journal: Das würde bedeuten, dass du die Türme menschlicher Werte als überflüssig ansiehst?
Akron: Der Sinn liegt in der Freiheit, alle Angebote, die mir die duale menschliche Gesellschaft bietet, als sinnlos erachten zu können, und sie trotzdem auf die eine oder andere Weise erfüllen zu dürfen, je nach der Art, wie ich mich in diesen Bedingungen verankert fühlen will. Letztlich geben diese Verankerungen dem dualen Verständnis auch Schutz.
Journal: Das versteh ich nicht ganz. Was willst du damit ausdrücken?
Akron: Ich kann ja trotzdem die Umweltschutzbestimmungen einhalten, auch wenn ich die gesetzlichen Vorschriften für sinnlos erachte, solange an anderen Orten Ölfelder abgefackelt und Atombomben gezündet werden.
Journal: Verstehe! Also Teillösungen akzeptieren?
Akron: Wenn du so willst! Aus einer spirituellen Sicht heraus ist alles Materielle relativ. In der Erkenntnis dieser Aussage liegt aber Sinn. Das heißt, die Sinnlosigkeit wird erst ab dem Punkt überflüssig, in dem man die Zusammenhänge erkennt. Das, was für mich keinen Sinn ergibt, kann für meine Nachbarn trotzdem Sinn machen. Es kommt halt auf die Haltung an, wie ich mich auf die Welt ausrichte.
Journal: Du gehst also davon aus, dass allein die Haltung den Sinn bestimmt, den ich dieser Welt abgewinnen kann? Was ist dann das Ziel?
Akron: Kein Ziel! Solange du kein Ziel erreichst, brauchst du der Absurdität unserer Modelle nicht ins Auge zu schauen und bleibst in deiner Seele von diesen Bindungen frei.
Journal: Das tönt jetzt aber höchst verwirrend.
Akron: Alle Fragen nach Sinn sind höchst verwirrend, weil sie implizieren, dass es so etwas wie einen Sinn geben muss. Gibt es aber einen Sinn, dann gäbe es auch einen „Nicht-Sinn“. Wer aber kann das voneinander unterscheiden?
Journal: Sind deine Aussagen aber nicht selbst auch intellektuelle Erfahrungen und Erkenntnisse?
Akron: Sieh es doch einmal so: Es gibt keine falschen Aussagen. Sie stimmen immer auf der Bewusstseinsebene, auf der der Mensch seine Fragen stellt. Richtig oder falsch sind nur Wegmarken innerhalb der Dualität. Ziel ist es, zu denken, was gedacht werden muss, damit unsere Welt funktioniert, und trotzdem um die Unergründlichkeit des Geistes zu wissen, der tief unter der Bewusstseinsschwelle mit uns kommuniziert. Das ist der wahre Weg des Magus.
Journal: Dann erzähl uns bitte mehr von diesem Weg!
Akron: Am Anfang steht das subjektive Verlangen des Menschen, die in der Tiefe schlummernden Kräfte zu entdecken und seinen eigenen Wünschen dienstbar zu machen. Später geht es um den Wunsch, sich auf den Schwingen seines inneren Empfindens in die Tiefe tragen zu lassen und aus den Fragmenten des Unbewussten persönliche Visionen zu erschaffen. Ähnlich ist es in der Kunst. Dort werden diese Kräfte über den Prozess der Entstehung langsam in die Realität gehoben, aber sie sind stets in der schöpferischen Vision des Künstlers gebannt. In der operativen Magie hingegen werden diese Energien direkt in das bewusste Selbstbild des Betreffenden katapultiert.
Journal: Und warum kann dieser Weg nicht jeder gehen?
Akron: Was eine unreife Seele völlig irritieren kann, da sie die Energien unbewusster Kräfte plötzlich zu manipulieren glaubt, verhilft einem reifen Menschen zu enormem Gewinn. Weiß er, dass er mehr als das Selbstbild ist, das er als sein Ich bezeichnet, rückt er sein Ego beiseite und macht in seinem Persönlichkeitsbild Platz, damit sich die überpersönlichen Teile auf den bewussten Teil seiner Wesenheit einschwingen können. Dadurch stimmt er sich gleichzeitig auf die Schwingungen dieser überpersönlichen Kräfte ein und wird zum Durchlass für Botschaften, die für das bewusste Erleben normalerweise nicht nachvollziehbar sind.
Journal: Was ich aber nicht verstehe ist, ob und wie sich das alles in der Realität integrieren läßt.
Akron: Will sagen, dass solche Techniken viel mit Manipulation der Vorstellungskraft zu tun haben, und gleich auch noch hinzufügen, dass die Vorstellungskraft immer noch eine der am meisten unterschätzten Funktionen des menschlichen Geistes ist. Da wir alles, was wir sehen, im Grunde aus der kollektiven Vorstellungskraft gebären, könnten wir auch jede beliebig andere Welt aus dem Hut unserer Imaginationen zaubern. Das einzige, was uns daran hindert, ist der Verstand, der uns das nicht zutraut. Dabei ist er selbst das Baby der Imagination. Wir verdrängen, dass wir all unsere Bilder aus der kollektiven Übertragung zimmern, die uns als Kleinkind eingelöffelt worden ist. Deshalb ist es auch schwierig, das den Menschen begreifbar zu machen. Warum reden wir nicht lieber über Esoterik oder „Erfüllungsmagie“? Das interessiert die Leute und das können sie auch verstehen.
Journal: Du glaubst, dass sich Esoterik dem Menschen besser vermitteln läßt?
Akron: Ja. Esoterik ist angewandte Psychologie. Alle unsere Gelübde, Schwüre und Versprechungen binden unser Wollen, so dass unser Handeln immer auf die Erfüllung unserer unbewussten Absicht ausgerichtet ist, einerlei, ob wir dies wissen oder nicht. Jedem Wunsch liegt immer die Leere eines nicht erfüllten Bedürfnisses zugrunde, und durch den Brennpunkt des kurzsichtigen Egos führt die Anstauung von Willen zur Erfüllung des Wunsches.
Journal: Gib mir mal ein Beispiel für diese „Erfüllungsstrategie“ !
Akron: Willst du in der Innenstadt einen Parkplatz finden, dann musst du dir eine freie Parklücke „einbilden“, den Verstand abschalten und dich von deinem inneren Gespür leiten lassen.
Journal: Wie funktioniert denn das?
Akron: Der Betreffende gibt in seine Vorstellung die gewünschte Absicht ein, diese schwingt sich in den Raum hinaus und gibt einen Impuls, wenn sie auf eine entsprechende Resonanz stößt. Nun muss man sich nur von seinem eigenen Impuls ziehen lassen und verhüten, dass sich der Verstand einmischt und das ganze Manöver zerstört.
Journal: Und wenn ich Menschen beeinflussen will?
Akron: Dann ist das ein bisschen differenzierter. Man kann den anderen nicht direkt kontrollieren, man kann sich aber in seine Vorstellungen hineinfühlen und ihn über seine eigenen Sehnsüchte und Bedürfnisse steuern. Die Menschen werden stets von ihren eigenen Wünschen und Absichten dirigiert. Wenn du ihre Wünsche auf dich ziehen kannst, kannst du sie über ihre eigenen Motivationen führen.
Journal: Wie wirkt sich ein solcher Befehl in der Absicht des anderen aus?
Akron: Sehr einfach! Indem du einem Briefmarkensammler suggerierst, dass du jemanden kennst, der weiß, wo er das fehlende Stück seiner Sammlung erhält. Dadurch ziehst du seine vollständige Aufmerksamkeit auf dich.
Journal: Damit ich dich richtig verstehe: Ich muss mich mittels meines Willens in die Bilder der anderen einschwingen und diese dort zu manipulieren suchen?
Akron: Manipulation ist das falsche Wort. Das würde ja bedeuten, dass du den anderen von sich selbst „wegdirigierst“, und das gelingt nicht oder zumindest nicht, bevor du nicht sein gesamtes Vertrauen gefunden hast. Es geht nicht darum, den anderen zu manipulieren, sondern in dir zu spüren, was sich in ihm durch dich zu verändern sucht.
Journal: Dann kannst du niemanden gegen seinen Willen beeinflussen?
Akron: Du kannst nichts tun, was der andere nicht auch will. Nur weil der andere meist nicht genau weiß, was er eigentlich will, sieht es nach außen oft so aus, als ob der bewusste Mensch den anderen verändern könnte. Man könnte auch sagen, dass der andere dich benutzt, um seine unterschwellige Veränderung aus der Latenz zu heben. Wie sagt doch der Magier: Magie ist zu tun, was zu tun ist, und dies auch noch zu wollen!
Journal: Du hast vorher die Kunst angedeutet. Gibt es darin eine Verbindung zur Spiritualität?
Akron: Das Fenster, das sich dem schöpferischen Geist als intuitiver Freiraum eröffnet, ist gewissermaßen ein schöpferischer Ausschnitt aus dem Ozean des kreativen Selbst, das mit dem Unbewussten verbunden ist. Der Künstler versucht über die Realität eines Dinges in die psychische Energie eines Gegenstandes einzudringen. Das heisst, in die Energie, die das Bild des Gegenstandes, das er künstlerisch verändern möchte, in ihm auslöst.
Journal: Dann hältst du jeden Künstler auch für einen spirituellen Magier?
Akron: Ja, klar. Der Künstler ist immer auch ein Magier, und der Magier ein Künstler, wobei sich der Künstler auf ein Medium im Außen bezieht, während sich der Magier mit seiner schöpferischen Vision auf seine Seele beschränkt. Der Magier füllt den seelischen Freiraum mit einer suggestiven Affirmation und der Künstler mit einer Vision. Die Differenz zwischen dem verzauberten Gegenstand und dessen Funktionalität definiert sich dann entweder als Zauberei, Hirngespinst oder eben als Kunst.
Journal: Blicken wir zurück: Was hat dich zur Auseinandersetzung mit diesen Themen hingezogen?
Akron: Das Gefühl der Freiheit. Ich wollte einfach herausfinden, wer ich war, und zwar außerhalb der gesellschaftlichen Modelle, die mich auf Beruf oder Ausbildung reduzierten. Ich wollte mich vom Geist antippen lassen, die subjektive Vorstellungskraft in mir entzünden, um daraus ein eigenes kleines Universum entstehen zu lassen.
Journal: Und glaubst du heute am Punkt angekommen zu sein, an dem du die Wahrheit für dich gefunden hast?
Akron: Zumindest glaube ich mir heute leisten zu können, endlich zugeben zu können, dass es mir gar nie ums Ziel, sondern stets nur um die Auseinandersetzung mit der Suche ging. Anfangs bin ich zwar selbst auch darauf reingefallen, auf mein Streben nach einer spirituellen Heimat, aber allmählich wurde mir klar, dass es kein Ziel gibt, das es zu erreichen gilt. Aber da ich keinen Lehrer hatte, brauchte ich einfach etwas länger, um mich selbst davon zu überzeugen, dass jede Vorstellung, auf ein spirituelles Ziel zuzugehen, nicht nur vom Ziel, sondern auch vom Weg ablenkt.
Journal: So hingst du die ganze Zeit im luftleeren Raum?
Akron: Erst mit den Jahren dämmerte es in mir: Unser Denken ist eine Falle. Den Modellen zu vertrauen, heißt sich in dieser Falle zu verfangen. Die Falle aber zu bekämpfen bedeutet, wie die alten Hexen im Feuer der Inquisition verbrannt zu werden, denn die Menschen wollen in ihren Projektionen ernst genommen werden. Also gab es für mich nur den Weg, sich der Falle anzuvertrauen und mit ihr zusammen allmählich auf eine andere Ebene zu gelangen, in der sich die „erkannte“ Falle möglicherweise auch als Erkenntnis entpuppen kann.
Journal: Das klingt ja direkt diabolisch. Du versuchtest die kollektiven Prägungen, die dich umfingen, zu durchschauen und umzuprägen, und zwar noch bevor du dir eine Vorstellung davon machtest, was es ist, das dich prägt?
Akron: Ja, einfach aus dem Gefühl heraus, dass es gar nichts anderes gibt. Die kollektive Prägung ist das Band, mit dem wir unsere Welt zusammenhalten. Also tat ich stets so, als hätte ich etwas Wichtiges zu sagen. Heute ist mir klar: Keiner hat eine Botschaft, aber die meisten sind zu dumm, um das zu verstehen. Das Einzige, was ich manchmal in mir fühle, ist das innere Gespür, dass in mir, wenn ich mir über meinen Sinn oder Nicht-Sinn keine Gedanken mache, so etwas wie ein Lichtlein der Erkenntnis aufgeht und etwas aufleuchten läßt, das man mit Sinn umschreiben könnte, wenn es nicht vordem von den aggressiven Werkzeugen des Bewusstseins ergriffen und erdrückt worden ist.
Journal: Ist das nicht absurd? Ein solches Statement aus dem Munde eines Meisters des tief interpretierten Worts?
Akron: Ich glaube, dass alles, was sich uns auf der Ebene unseres Erlebens zeigt, eine Täuschung ist, und alles, was wir sehen, nur auf den Standpunkt verweist, von dem aus wir unsere Wahrnehmung „wahrnehmen“. Da mich aber nicht so sehr meine Wahrnehmung interessiert, sondern mehr mein inneres Empfinden abzüglich des Standpunktes, von dem aus ich wahrnehme, läßt sich mein philosophischer Ansatz mit den Mitteln der Sprache auch nur sehr schwer präzisieren. Mich interessieren keine Dogmen, keine Glaubensformeln und keine Weisheiten oder Erklärungen, wie man die Welt zu betrachten hat …
Journal: … sondern?
Akron: Mich interessieren die unbewussten Sehnsüchte, die uns zwingen, unsere Kreativität in solche Formen zu schöpfen, aus denen wir dann eben Dogmen und Glaubensformen hervorbringen. Dann die Frage nach dem Ursprung der menschlichen Entwicklung, die darauf zielt, warum wir gerade diese Formen und nicht andere entwickelt haben, um unser Weltbild darin fassen und kontrollieren zu können und, damit verbunden, die ur-rudimentäre Frage, was die innere Ordnung der Matrix ist, nach der wir Modelle bestimmten und entwickeln.
Journal: Aber hast du nicht selbst einige geistreiche, tief gründende Bücher über Astrologie, Tarot und Magie geschrieben?
Akron: Ja, aber nicht unter dem Label von Sinn oder Wahrheit. Es sind Bücher über Modelle, mit denen wir uns auch in unserem Arbeitskreis beschäftigen. Ich kann mich mit jeder Beschreibung auseinandersetzen, wenn ich sie nicht mit der Wirklichkeit verwechsle.
Journal: Was ist denn der Unterschied zwischen Beschreibung und Wirklichkeit?
Akron: Beschreibungen sind das Fixieren eines Ausschnitts, den wir aus dem Unfassbaren herauszirkeln, damit wir etwas haben, das wir auch festhalten können.
Journal: Dann wäre nach deiner Meinung jede Beschreibung eine Lüge?
Akron: Eine Lüge oder ein Stück menschliche Realität. Das ist beides das Gleiche. Wir sollten die Beschreibungen aber auch nicht verteufeln. Sie zeigen, was für einen großen Aufwand wir treiben, um der Wirklichkeit nicht ins Auge blicken zu müßen …
Journal: Was willst du damit sagen?
Akron: Sieh einmal genau hin, wie viel Böses es kostet, Böses zu verhindern. Letztlich kommt es auf das gleiche heraus, ganz egal, ob wir es zulassen oder verhindern.
Journal: Kannst du das noch etwas genauer umschreiben?
Akron: Im Bestreben, den Teufel zu verhindern, merken wir oft nicht, dass wir die Voraussetzungen für den Teufel überhaupt erst schaffen. Es ist die Logik der Kinder: Das Böse liegt immer in der Absicht der anderen.
Journal: Dünkt dich das nicht ein bisschen zynisch … ?
Akron: Aus der Sicht des Zynikers heraus müsste man sich die Frage stellen, ob Aggressionen, Kriege und Unterdrückung nicht vielleicht insgeheim eine sinnstiftende Funktion erfüllen, indem sie seelisch verkrüppelten Individuen das Überleben in einer Gesellschaft erlauben, die ihren Mitgliedern die systematische Verdrängung ihrer Instinkte auferlegt.
Journal: Somit wären alle Beschreibungen und Erklärungen nur den Leuten Sand in die Augen streuende Ablenkungsmanöver?
Akron: Jede tiefere Erkenntnis schädigt das System, das von uns nicht dazu geschaffen worden ist, um friedlich zu leben, sondern um die anschwellenden Bedürfnisse der ständig zunehmenden Menschheit zu dirigieren und genug Wachstum zu generieren. Das ist das Credo unseres selbst erschaffenen Gottes …
Journal: Welches Gottes?
Akron: Des Götzen Mammons oder des Geldflusskreises. Unser Wirtschaftssystem ist ein wucherndes Krebsgeschwür, das sich nur dadurch im Gleichgewicht halten kann, indem es ständig wächst. Es sind die hausgemachten Krisen und die künstlichen Bedürfnisse, die den Markt in Schwung halten. Ähnlich wie ein Junkie benötigt dieser ständig Nachschub, Investitionen, Spekulationen, Geldverschiebungen, neue Entwicklungen und Herausforderungen, um nicht zu implodieren.
Journal: Wieso kämpfen wir dann nicht dagegen an?
Akron: Weil wir es uns gar nicht leisten können, unser Weltbild in Frage zu stellen, denn wir hängen alle an seinem Tropf. Deshalb müßen wir es verdrängen. Damit das System weiter funktioniert kann, sind wir gezwungen, zu lügen.
Journal: Du meinst, wir sind selbst die Teile, die an diesem Spiel mitwirken und deshalb den von ihnen selbst erschaffenen Grundlagen und Bedingungen nicht entkommen können?
Akron: Nun, es geht darum, um aufzuzeigen, dass der Mensch am Ende seinen eigenen Schatten als Notwendigkeit dafür hernimmt, um die Welt zu retten. Oder zynischer formuliert: Wenn wir schon gezwungen sind, unsere Gene weiterzugeben, dann wollen wir diesem Umstand nicht auch noch die Trostlosigkeit der Bedingungen unserer Realität hinterher schmeißen. Denn wie sollten wir von den Bedingungen unserer Gesellschaft davonlaufen können, die ja selbst das Ergebnis unseres gemeinsamen kollektiven Wirkens sind?
Journal: Dann hältst du die Menschen für dumme, kurzsichtige Zombies?
Akron: Nein, für gespaltene Wesen, die der Unterschiedlichkeit ihrer energetischen Teile auf den verschiedenen Ebenen nicht ins Auge blicken können. Manch einer ist tagsüber als (systemimmanenter) Bankberater oder Rechtsanwalt unterwegs, während er sich nachts im Puff ohne Kondom und sturzbetrunken als Systemkiller outet. Da wir von unseren „systemfeindlichen“ Persönlichkeitsfragmenten am nächsten Morgen normalerweise nichts mehr wissen wollen, lagern wir unsere ungeliebten Teile aus, um sie im anderen zu bekämpfen und damit auf eine unbewusste Weise wieder vollständig zu werden.
Journal: Ich ahne, worauf du hinauswillst. Es ist der Geist der Evolution, der die Menschen zwingt, sich durch ihr eigenes Ungleichgewicht ständig zu entwickeln.
Akron: Klar gibt es immer auch entwickelte Menschen, die zwischen den verschiedenen Frequenzen unserer Erkenntnisse auf den entsprechenden Hirnströmen hin- und her switchen können, ohne sich verbiegen zu müssen. Aber für die meisten ist die eigene Blindheit oder das Ausschalten des Gehirns oft der einzige Grund, um sich ein bisschen individuell zu fühlen.
Journal: Eine individuelle Blackbox im Leben sozusagen. Aber was ist mit dem Weiterleben nach dem Tod?
Akron: Sind wir nicht ein Staubkorn von Ewigkeit, das sich beständig umschichtet und alle Formen der Entwicklung in sich trägt? Für mich ist das Ego eine kleine Feder an der Schwinge des Adlers, und wenn sie wegfällt, wächst darunter schon eine neue Feder nach, und der ganze Vorgang behindert den Flug des Adlers kaum.
Journal: Jetzt hast du meine Frage elegant umschifft. Glaubst du an Wiedergeburt?
Akron: Diese Frage kann man so nicht beantworten, denn wir gehen von einem geschlossenen Persönlichkeitskern aus, den es in dieser Form nicht gibt. Der Mensch ist aus verschiedenen Energieteilen zusammengesetzt, die sich unter dem vereinigenden Band einer Ich-Identität zu einem multiplen Einzelwesen addieren. Alle mit Angst, Schuldgefühlen oder anderen Ablagerungen belasteten Teile erwecken in ihren Erinnerungen das Bedürfnis nach Wiedergeburt, um die negativen Prägungen in einem neuen Anlauf zu wiederholen und zu löschen.
Journal: Du redest von der Wiedergeburt einzelner, neu zusammengefügter Persönlichkeitsteile?
Akron: Ausgesonderte, unerlöste Teile können sich zusammen mit dem Geist zu einem neuen „Persönlichkeitsreigen“ formieren und dabei einen eigenständigen Ego-Komplex aus sich hervorbringen, der mit dem alten Ego verwandt, aber nicht identisch ist. Die Energien fließen über viele Generationen durch die Ahnenreihen hindurch, bis das letzte Individuum am Ende der Reise erwacht und die Kette unterbricht. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen auf der geistigen Ebene, eine ständige Umschichtung des kollektiven Energiekörpers oder, wie die Mystiker glauben, der Idee des Menschen in Gottes Hirn.
Journal: Wie entsteht diese Energie?
Akron: Es ist der dynamische Überschuss menschlicher Gegensätze, der sich in der Sphäre anstaut. Durch den Abbau und die Verwandlung negativer Kräfte wird der energetische Treibstoff für die menschliche Entwicklung gewonnen.
Journal: Und wohin führt die Reise?
Akron: In alle Richtungen gleichzeitig. Die Summe aller gespeicherter Erfahrungen und Erinnerungen ist die treibende Schicksalskraft, die alles vorwärts peitscht, oder andersherum, die „zukünftige“ Erinnerung ist das, was sich in der Gegenwart auswirkt und die Vergangenheit gestaltet, damit die richtige Zukunft von den Menschen „beabsichtigt“ werden kann.
Journal: Warum hast du um die spirituelle Entwicklung der Menschheit keine Angst?
Akron: Das Gute an der ganzen Entwicklung ist, dass sich die Szenerien immer wieder selbst aussteuern, und so ist selbst das selbstzerstörerischste Handeln aus der Sicht des Ganzen letzten Endes nicht nur ein Scheitern, sondern auch ein Weg, der die Menschen vorwärts treibt. Frieden ist nicht das Ziel, genauso wenig wie Krieg. Es sind die Nuancen dazwischen. Unser Problem ist, dass wir nicht erkennen können, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt.
Journal: Nach deiner Meinung hätte der Mensch keine wirkliche Freiheit?
Akron: Ich sehe nur die Illusion von Freiheit. Ich glaube, dass das, was ich zu tun beabsichtige, immer gerade dem entspricht, was ich sowieso tun werde. Das Wollen ist nur der Trick, mein inneres Streben mit den vorhandenen Energien in Übereinstimmung zu bringen.
Journal: So würdest du an der menschlichen Haltung auch nichts ändern wollen?
Akron: Das ist gar nicht nötig – die ändert sich ganz wie von selbst. Ein Teil in mir glaubt zwar zu wissen, was man tun müsste, um die Zerstörung zu verhindern, aber ein anderer Teil fragt sich, ob es aus einer höheren Perspektive richtig wäre, wenn dies gelänge. Wie sollten wir uns sonst auch entwickeln können, wenn wir nicht mit den Auswirkungen unseres Tuns konfrontiert würden? Eigentlich sind wir schon längst am Ende. Wäre die Menschheit eine Firma, dann müßten wir längstens Insolvenz anmelden.
Journal: Dann frage ich dich so: Was wollt ihr in eurem Arbeitskreis ergründen?
Akron: Nehmen wir mal an, die Menschen wären Frösche, und sie entwickelten miteinander eine Frosch-Kultur, in deren Mittelpunkt das Hüpfen steht. Der angepasste Frosch quakt, hüpft und fühlt sich wohl. Doch der Magier-Frosch weigert sich zu hüpfen, zumindest solange das alle tun. Damit verstößt er aber gegen seine eigentliche Frosch-Natur. Nun stellen wir uns die Frage, was nützt es dem Frosch, wenn er sein Frosch-Sein überwindet? Aus der dualen Perspektive nichts, denn wo ist sein Ziel, wohin er sich entwickeln kann? Hüpft er nicht, dann ist er kein Frosch – aber was ist er dann? Der Magier-Frosch könnte sich beispielsweise einbilden, ein Frosch, der nicht hüpft, wäre ein Gott-Frosch. Vielleicht ist aber ein Frosch, der nicht hüpft, kein Gott-Frosch, sondern einfach ein Frosch, der nicht hüpft. Kehren wir vom Frosch wieder zum Menschen zurück. Ein Magier, der das duale Wissen überwindet, wäre aus Sicht des Magiers ein Zauberer, der näher bei den Göttern ist. Aus Sicht der Götter könnte dieser Magier aber auch ein Querulant sein, der sich in die kollektiven Abläufe des Menschseins nicht integrieren kann. Das ist die Ausgangslage und die Quizfrage zugleich: Wir versuchen herauszufinden, wie wir auf das kollektive Weltbild „hereinfallen“ und trotzdem in jeder Phase uns selbst bleiben können.
Journal: Sehe ich das richtig, wenn du davon ausgehst, dass wir nichts ändern müssen, da wir sowieso nichts ändern können?
Akron: Zumindest nichts willentlich ändern, denn die Änderung ist immer auch ein Teil der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Jeder aus dem Zusammenhang genommene Rettungsversuch macht die Sache nur noch schlimmer.
Journal: Du glaubst, der Mensch interpretiert das Wort Entwicklung falsch?
Akron: Nein. Es ist aber falsch zu glauben, dass sich unsere Entwicklung in einem Umfeld des Gleichgewichts vollziehen kann. Sie mag es zwar ständig suchen, aber sie darf es nicht erreichen, damit Entwicklung überhaupt möglich ist. Gleichgewicht ist kein statischer Zustand, sondern es wird durch die ständig herbei gezwungenen Veränderungen ermöglicht.
Journal: Ich verstehe. Dann sollte der Wunsch des Menschen nach einer besseren Welt auch nicht der Wunsch des Menschen nach einer besseren Welt sein?
Akron: Besser wäre der Wunsch nach einer bewussteren, sich weniger selbst in die Tasche lügenden Welt, damit wir uns über die ganzen Zusammenhänge klar werden können. Im Grunde sind wir die Schöpfer unseres Schicksals, nicht durch den äußeren Willen, sondern im Wechselspiel zwischen Hoffnungen und Ängsten der tief in unserer Psyche verankerten Erfahrungen. Deshalb wäre es ideal, ausgleichend auf die Seele einzuwirken, auf die Quelle, in der die Welten, die wir entweder lieben oder bekämpfen, entstehen. Die Zukunft, die uns erwartet, ist im Grunde immer auch ein Teil unserer Erinnerung.
Journal: Was für Techniken oder Methoden würdest du aus deiner heutigen Sicht empfehlen?
Akron: Ich war schon immer der Meinung, dass die Gefäße des Geistes unendlich sind und alles in sich hineingestellt werden kann, je nach Perspektive des Denkers. Und weswegen es am Ende auch keine Rolle spielt, was es für ein Gebräu ist, das in diesen Töpfen an geistigem Erkennen ausgebrütet wird. Wenn ich weiter unterstelle, dass Denken zu jedem möglichen Ziel hinführen kann, weil sich die Ziele ja nicht auf höhere Erkenntnisse zurückführen lassen, sondern einfach dahin führen, wo Hoffnungen und Wünsche blühen, kannst du dir sicher leicht ausmalen, dass ich deiner Frage keine übergeordnete Priorität zuordne.
Journal: Dann braucht es auch keine Lösungen?
Akron: Nun, wie sollten wir die anerzogene Welt mit dem Werkzeug überwinden, das ja gerade die Bedingungen liefert, die Welt dorthin zu projizieren, wo sie uns gefangen hält? Das zu akzeptieren ist die Lösung! Wir müssen uns weder auf das Werkzeug konzentrieren noch auf die Hand, die den Nagel in die Ewigkeit einschlägt, um das Netz menschlicher Kontrolle darin aufzuspannen, sondern wir sollten uns mit der Frage beschäftigen, warum wir den Nagel überhaupt einschlagen müssen …